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Donnerstag, 2018-09-20

Berliner Wilde im Gründungsfieber

Berlin ist Boomtown. Nirgendwo gehen so viele junge Internetfirmen an den Start wie an der Spree. Typisches Merkmal der Szene ist, dass sich diese Unternehmen nicht einfach gründen, sondern als „Start-up“ beginnen. Dieser Begriff drückt bereits einen großen Teil ihrer Unternehmenskultur aus.

Neu in Berlin: 99designs.de

Verbunden mit dem Name ist ein unkonventionelles Geschäftsmodell, das auf großartigen Ideen, unzählige Nachtschichten und hoher intrinsischer Motivation beruht. Zwar träumen alle Gründer von zukünftigen Gewinnen, doch die Realität sieht jedoch fast immer anders aus. Aus diesem Grund haben die jungen Unternehmen nicht nur ihren eigenen prekären Lebensstil, sondern brauchen auch für die Organisation ihrer Arbeitsräumen, Arbeitsmittel und Mitarbeiter einen hohen Grad an Improvisationsvermögen und Flexibilität. Ihre Wertschöpfung findet an unterschiedlichen Orten, zu unterschiedlichen Zeiten, in wechselnden Teamkonstellationen und ohne Festanstellungen statt.

Dabei ist ihre flexible Herangehensweise an praktische Probleme Ausdruck und Ergebnis der Start-up-Gründungskultur zugleich. Der kreative Umgang mit Ressourcen führt zu neuen Geschäftsmodellen, die auf digitaler Vernetzung, offener Kommunikation, mobilen Anwendungen und Sharing beruhen. Die Szene lebt und arbeitet in Strukturen, die sie selbst erfindet. Dazu braucht sie ein urbanes Flair mit guter Infrastruktur. So ist es kein Wunder, dass sie sich vor allem in der Berliner Innenstadt sammelt, wo die Supermärkte 24 Stunden geöffnet haben, immer noch große Fabriketagen frei stehen und jedes bessere Café einen WLAN-Anschluss bietet.

Der kreative Umgang mit Ressourcen, führt zu neuen Geschäftsmodellen

Kreativität ist das wichtigste Kapital eines Start-ups. Sie ist die Voraussetzung für Innovationen, mit denen die Gründer ihr Geschäft entwickeln. Im besten Fall initiieren Start-ups einen neuen Trend, der ihrem Unternehmen die Chance gibt, überdurchschnittlich schnell zu wachsen. Häufig lässt sich im Nachhinein dann nicht mehr feststellen, was zuerst da war, der Trend oder das Produkt. Diese Eigenschaft lässt die jungen Start-ups aus unterschiedlicher Perspektive interessant erscheinen. Risikokapitalgeber kalkulieren bei einem Invest in diese Szene, mit einem möglichst schnellen Kapitalrückfluss. Politiker erhoffen sich Strahlkraft für den Standort, um weitere Unternehmen anzulocken. Der Ruf vom „kreativem Potenzial“ oder „Hightech“ lockt nicht nur Investoren und Arbeitsplätzen, sondern auch Kunst und Kultur in die Stadt, die sich ebenfalls gerne im Umfeld von kreativen Querdenkern ansiedeln.

Start-ups unter Druck

Dieses Image ist Fluch und Segen zugleich. ITK-Gründungsunternehmen stoßen aus den genannten Gründen heute auf mehr Aufmerksamkeit und positives öffentliches Interesse, als in früheren Jahren. Als Folge davon müssen sie sich junge Kreative schon frühzeitig in einem Haifischbecken von professionellen Venture-Capital, Business-Angels und Inkubatoren bewegen, das sich rund um ihre Szene gebildet hat. Für die sorgfältige Entwicklung ausgereifter Produkte und skalierbarer Geschäftsmodelle bleibt kaum Zeit. Die Branche arrangiert sich im und mit dem Provisorium. Die Berliner Gründerszene steht unter der fortwährenden Zerreissprobe zwischen Kreativität und Business-Performance. Der Wettbewerb untereinander, zwischen denen, die es wie Zalando oder Dawanda zum großen Geld geschafft haben, und den unendlich vielen Kleinen, die kaum ihre Telefonrechnung bezahlen können, setzt die Szene gewaltig unter Druck. Dies wiederum ist ein Lebensstil, den die Berliner Gründerszene schon immer gekannt hat, egal ob um 1850 zu Zeiten der Dampfmaschine bei Strousberg und Borsig, um 1920 zu Beginn Elektrizität bei Siemens, Halske und Rathenow oder in den Nachkriegsjahren. Berlin war für die Wirtschaft noch nie ein einfaches Pflaster. Und gerade diese Herausforderung hat bislang noch alle Gründergenerationen in Berlin geprägt.

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